Tagebuch eines Neumitglieds (Teil 3)
Eckersmühlen (13.06. – 16.06.2024)
Freitag, 14.06.2024 – Der zweite Tag
Der Tag fing für mich um 7 Uhr mit schwerem Kopf an. Ich hatte mir die ganze Nacht Gedanken darum gemacht, welchen Stamm ich denn jetzt züchten möchte. Dementsprechend müde ging ich zum Frühstück um kurz vor 8.
Sobald ich den Frühstückssaal betrat, wurde ich von lächelnden und doch müden Gesichtern mit einem „Guten Morgen“ begrüßt. Ich wurde sofort munterer und habe mich zu Florian an den Tisch gesetzt; auch hier wurde man freudig begrüßt und ist sofort ins Gespräch gekommen und die Müdigkeit hat sich langsam verabschiedet. Es stellte sich heraus, dass einige Züchter kein warmes Wasser auf den Zimmern hatten und ganz selbstverständlich wurden sofort die Duschen derer angeboten, die warmes Wasser hatten. Es war für alle eine Selbstverständlichkeit, dass man seine Vereinskollegen nicht ohne warme Dusche in den Tag starten lässt. Als es dann zur Ausstellung ging, wurde der Guppy-Raum geräumt, denn es wurde Zeit für die Richter, die Guppys zu bewerten. Eine Heidenarbeit, die Ruhe und Konzentration braucht. Die Mitglieder haben sich alle zurückgezogen, viele sind Züchter in der Nähe besuchen gefahren oder saßen im Aufenthaltsraum zusammen. Niemand wurde alleine zurückgelassen.
Ich war gerade auf dem Weg zur Küche, als ich Ritschi mit einigen Züchtern am Tisch sitzen sah. Hier fand gerade die Richter-Ausbildung statt. Ich habe mich leise dazugesetzt und war fasziniert, mit welcher Geduld Sachen erklärt und Fragen beantwortet wurden. Als ich dem ganzen zugehört habe, wurde mir klar, wie wichtig die Ausbildung von Richtern ist. Sie sichern eine faire Bewertung mit gleichen Standards und tragen dazu bei, dass gesunde und vitale Fische gezüchtet werden.
Nachdem die angehenden Richter ebenfalls in den Ausstellungsraum gegangen sind, um zu üben, wie man bewertet, wollte ich meine Aufzeichnungen, die ich während der Besprechung gemacht habe,, nochmal durchgehen. Da kam dann aber schon Ritschi, er brauchte meine Hilfe. Für Samstag hat der Verein eine Tombola organisiert, mit Preisen von unseren Sponsoren; die Preise müssen jetzt aufgebaut und hübsch platziert werden. Naiv wie ich war, stimmte ich zu, wusste ich doch nicht, dass wir über 500 Preise hatten …
Und Ritschi hatte eine ganz bestimmte Vorstellung, wie es stehen soll. Wie oft ich gehört habe „nein, das muss weiter zusammen“ oder „Du musst das enger stellen“ ich kann es gar nicht sagen. Henrik und Tim haben sich das Ganze vom weiten grinsend angesehen und hier und da einen neckischen Kommentar eingeworfen.
Irgendwann hatten wir auch das geschafft und ich belohnte mich mit einem leckeren Schinken und Fleischsalatbrötchen. Die Brötchen wurden nämlich in der Zwischenzeit von Helfern aus dem Verein geschmiert, um die Richter und noch vor Ort sitzenden Vereinsmitgliedern zu versorgen. So verging auch hier die Zeit wie im Flug und es war kurz vor 14 Uhr, als wir uns zu 5 (Ritschi, Janet, Daniel, Florian und ich) auf den Weg machten, um einen Züchter zu besuchen: Hermann Ernst Magoschitz den Besitzer des „Candyland´s“. Wir wurden im Vorfeld schon gewarnt, dass jeder, der zu Hermann fährt, eigentlich immer mit Fischen wieder kommt. Und wie recht sie doch haben sollten.
Bei Hermann angekommen, wurden wir mit einem strahlenden Lächeln von seiner Frau begrüßt. Aus dem Fischkeller kamen laute Stimmen und auch im Wohnzimmer, wo wir zuerst Platz nahmen, waren schon zwei Züchter. Jeder kommt sie besuchen und wenn ein Züchtertreffen in der Nähe ist, haben Sie immer volles Haus. Es gab unfassbar leckeren selbstgebackenen Kuchen und wir wurden mit Kaffee und Saft verwöhnt.
Danach ging es los in den Keller. Als ich diesen betreten habe, wusste ich gar nicht, wohin ich zuerst gucken soll. Überall Fische, verschiedene Stämme, Farben, Formen. Ich weiß nicht, wie viele Stämme er besitzt, aber seine Vielfalt stand der auf der Ausstellung in nichts nach. Mein Kopf flog von links nach rechts, wieder nach links. Mit offenem Mund und Staunen sah ich mich in diesem Keller um. Ich betrachtete jedes Aquarium so gut es ging und auch hier war ich verzaubert von all den schönen Stämmen, die es gab.
Und dann sah ich ihn. Im hinteren Gang, erstes Aquarium der zweiten Reihe von oben. Ein Blick in das Aquarium und er stach so wunderschön raus, dass alles andere nicht mithalten konnte. Dieser Fisch, der mich nicht mehr losgelassen hat. Und das war der Moment, wo ich verstand, was Ritschi mit „sich in einen Stamm verlieben“ meinte. Die anderen Guppys haben mich nicht mehr interessiert. Nur dieser eine Stamm, den wollte ich haben. Gesagt, getan.
Ich ging zu Hermann und sagte ihm, dieses eine Männchen, das möchte ich gerne haben, und zu meinem Glück stimmte er zu. Das Ende von dem Besuch bei Hermann war über zwei Stunden Aufenthalt und 7 Fische. Ein Trio dunkelgrüne Moskauer und 2 Pärchen hellgrüne Amerikaner. Dazu 30 Garnelen und ein paar Schnecken. An dieser Stelle ein Riesen-Dankeschön an meine Begleiter Ritschi, Jeanette, Daniel und Florian, dass sie ohne zu drängeln oder genervt zu sein gewartet haben, bis ich mich entschieden hatte und alles eingetütet war! Vielen Dank!
Jetzt wusste ich, was die anderen meinten mit „da geht keiner ohne Fisch“. Wie könnte man auch? Vor allem, wenn man seinen Stamm gefunden hat. Ich war verliebt und glücklich. Aber ich fühlte mich auch, als hätte ich einen 5-Stunden-Shopping-Marathon in Hamburg hingelegt. Ich war platt und vollkommen erschöpft, die Anspannung und Unsicherheit der letzten zwei Tage ist von mir gefallen, denn ich wusste, was ich züchten wollte und es gab kein Links oder Rechts …
Wir sind dann, die Guppys sicher verstaut, zurück zur Ausstellung gefahren. Inzwischen waren die Richter fertig und die Ergebnisse wurden ausgedruckt. Das war der einzige Moment, in dem ich eine gewisse negative Anspannung gespürt habe. Viele Züchter standen vor den Bewertungen und Diskussionen über die Punkte begannen. Einige äußerten Kritik an der Bewertung ihrer Fische und waren nicht zufrieden mit ihrer Wertung. Kurzzeitig war die Stimmung nicht mehr so heiter und fröhlich wie davor. Wir sind dann zurück ins Hotel gefahren, um uns kurz frisch zu machen und die Fische zu verstauen. Denn heute stand noch ein Event an.
Jens und seine Frau Heike hatten zum großen Grillfest eingeladen. Um 19 Uhr war das Treffen angesetzt und wir wollten natürlich alle pünktlich sein. Auf dem Grillfest angekommen, war nichts mehr von der angespannten Atmosphäre der Bewertungsdiskussionen zu merken. Das Fest wurde mit sehr leckerem Essen und der Nachricht, dass der Verein alle Mitglieder an diesem Abend zu essen und trinken einlädt, eröffnet. Der Beifall war groß, so wie der Hunger.
Der Grillabend war, als ob man sich mit Freunden in den Biergarten setzt. Überall wurde fröhlich geplaudert, manchmal diskutiert, aber vor allem hat man gemerkt, dass alle einfach froh waren, wieder zusammenzusitzen. Es wurden alte Geschichten ausgetauscht und sich über die neuesten Kreuzungsprojekte unterhalten.
Und dann hat Jens seinen Guppy-Raum für Besucher geöffnet. Das Interesse war groß und viele haben sich auch hier Fische mitgenommen. Auch ich muss ich gestehen. Mir wurde bei Jens das erste Mal gezeigt, wie ich mir meinen Fisch raus fange und worauf ich achten muss. Alle waren nett und haben einen mit in die Gespräche einbezogen. Und auch Jens, der mir ein Pärchen seiner Tiere abgegeben hat, war ganz tapfer, als ich ihm ein Bataillon an Fragen gestellt habe zu seinem Stamm, Besonderheiten und worauf ich achten muss. Und auch hier die gleiche Erfahrung wie seit Donnerstag, als ich angekommen bin. Er hat sich Zeit genommen, mir alles ruhig erklärt und man wurde ernst genommen mit den Fragen, die man hatte.
Uns so lief der Abend langsam aus. Ich habe fantastische Gespräche geführt und auch hier, obwohl ich neu im Verein bin, hat mich niemand ausgeschlossen oder komisch behandelt. Als ich abends wieder im Bett lag, war ich erschöpft, aber sehr sehr glücklich…